8.5.2024

HEY, KOLUMBUS, WIE WAR DAS NOCH MAL?

Ein Interview mit einem Entdecker: Ein Miniprojekt mit ChatGPT im Geschichtsunterricht

Als im November 2022 mit dem Chatbot ChatGPT eine künstliche Intelligenz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, war die Aufregung zunächst groß. Schnell aber erkannte man das Potential, das dieser Chatbot seinen Anwender:innen bot. Zweifellos hat ChatGPT die professionelle Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Themen und
Inhalten in vielerlei Hinsicht erleichtert. So auch im Bildungsbereich.

 

Als Warm-up zum Thema Kolonialisierung im Unterrichtsfach Geschichte und Politische Bildung sollten die Schülerin und Schüler der 3AHWIM Interviews mit den großen Entdeckern der (frühen) Neuzeit führen. Mangels parapsychologischer Fähigkeiten mit Toten zu kommunizieren, sollte ChatGPT im ersten Teil dieses Miniprojekts die Rolle der
Interviewpartner:innen einnehmen. Damit der Chatbot in die Rolle der gewählten Entdecker:in schlüpfen konnte, brauchte es eine genaue Beschreibung des Auftrags:

Ich möchte für den Geschichtsunterricht ein Interview mit einer historischen Figur führen. Du nimmst hierbei die Rolle dieser historischen Figur ein und beantwortest die Fragen, die dir gestellt werden. Als historische Figur bist du [Christoph Kolumbus]. Meine erste Frage ist, dich kurz vorzustellen.

Zum Interview gebeten wurden große Entdecker wie Christoph Kolumbus, Leif Eriksson, Bartolomeo Dias, James Cook, Amerigo Vespucci, Ferdinand Magellan, Marco Polo, und, als Vertreterin der weiblichen Weltreisenden, die Österreicherin Ida Pfeiffer. In der Wahl ihrer Fragen waren die Hobbyjournalisten völlig frei (warum das wichtig war, zeigt sich im zweiten Teil des Projekts). So wurde Ida Pfeiffer nach ihrer Kindheit und Jugend gefragt, und inwieweit „diese Zeit [ihre] Zukunft als Entdeckerin verändert“ (Zoey Jirout, Nicolaus Zeppelzauer) hat; Kerem Ergün und Alexander Li wollten von Christoph Kolumbus wissen, „welche Auswirkungen hatten deine Entdeckungen auf deine persönliche Reputation und deine Beziehung zu den spanischen Monarchen“; interessant war auch die Frage an Marco Polo nach der mentalen Belastung, die so eine Reise bedeutet (Philipp Hofer, Simon Stern), oder die Frage nach dem Sinn seiner Expedition an James Cook (Ajlan Pepic, Matthias Said). ChatGPT beantwortete die Fragen nicht nur; es hatte auch den Anschein, als würde der Chatbot jeweils eine zur Figur passende Persönlichkeit annehmen. Leif Eriksson, interviewt von Dominic Mladenov und Aleksandar Jovanovic, freute sich, die Fragen zu beantworten, während Amerigo Vespucci, Interviewpartner von Ephraim Shalfoun und Emre Eren, in kameradschaftlicher Konkurrenz zu Christoph Kolumbus zu stehen schien. Aufgrund der vielfältigen Fragen lernten die Interviewer allerhand über das Leben und die Motivation ihrer Interviews, über das Leben und die Gefahren auf See, die Kommunikation mit der indigenen Bevölkerung und vieles mehr.

Der zweite Teil dieses Miniprojektes war die kritische Auseinandersetzung mit den Informationen, die ChatGPT lieferte. Die Schülerin und Schüler sollten nicht nur die Antworten auf historische Richtigkeit mit anderen Quellen gegenprüfen, sondern auch analysieren, bei welchen Fragen ChatGPT an seine Grenzen stößt. Letzteres zeigte sich vor allem bei Fragen nach der Familie bzw dem Familienstand. Kerem Tutzcu und Daniel Nikolov wollten von Bartolomeo Dias wissen, ob er verheiratet war. Die Antwort zeigt eindeutig, dass der Chatbot hier Wissenslücken aufweist.

„Ja, ich war verheiratet. Mein genaues Familienleben ist jedoch nicht vollständig dokumentiert, da die Aufzeichnungen aus meiner Zeit als Seefahrer oft lückenhaft sind. Es ist bekannt, dass ich während meiner Lebenszeit eine Familie hatte, aber Details über meine Ehe und Kinder sind begrenzt.“

Im Interview mit Marco Polo (Simon Stern, Philipp Hofer) weist der Chatbot sogar darauf hin, dass „historische Aufzeichnungen nicht immer alle Details über das Leben einer Person erfassen, insbesondere wenn es um persönliche Angelegenheiten wie Familienleben geht“.
Letzte Aufgabe des zweiten Teils war es, einen (kritischen) Kommentar zur Verwendung von ChatGPT im (Geschichts)unterricht zu schreiben. Aber lesen Sie selbst:

„Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Schulunterricht ist ein spannendes Thema. KI kann den Unterricht verbessern, indem sie für jeden Schüler maßgeschneiderte Lernwege bietet. So kann jeder in seinem eigenen Tempo lernen. […] Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass Technologie nicht die menschliche Interaktion ersetzen kann, die im Unterricht sehr wichtig ist. Lehrer spielen eine entscheidende Rolle – nicht nur beim Vermitteln von Wissen, sondern auch bei der Erziehung zu kritischem Denken und sozialen Fähigkeiten. Deshalb ist es wichtig, dass Schulen nicht nur in KI investieren, sondern auch in die Ausbildung der Lehrer, um diese Technologien sinnvoll zu nutzen. Ida Pfeifers Interview unterstreicht die Notwendigkeit, KI im Bildungsbereich kritisch zu betrachten. Ein tiefes Verständnis für KIs Potenzial und Risiken ist entscheidend für ihren verantwortungsvollen Einsatz. Zudem ist es wichtig, die Genauigkeit von KI-generierten Texten zu prüfen, da diese oft allgemein sind und nicht immer exakt die Meinungen der Beteiligten wiedergeben. (Zoey Jirout, Nicolaus Zeppelzauer)“

(Artikel von Susanna Mitterlehner, HWI)